Dorfgeschichte
Heutzutage geht man davon aus, dass unsere Gegend besiedelt wurde, als die Franken begannen, die riesigen Wälder um Knüll, Vogelsberg und Kellerwald zu roden. Entlang der Flüsse Schwalm und Antreff kamen sie in unseren Raum, wo sie nach Erkenntnissen der Ortsnamenforscher vom sechsten bis zum neunten Jahrhundert zahlreiche Dörfer gründeten, deren Namen auf –hausen enden.
Wahrscheinlich geht Merzhausen auf einen fränkischen Adligen, der Meinhard oder Mennhard hieß, zurück und um 700 einen ersten Hof baute. Diese Annahme basiert jedoch nur auf Vermutungen, denn die erste urkundliche Erwähnung von Merzhausen datiert aus dem Jahr 1233 in einer Deutschordensurkunde, belegt durch ein Schreiben des Hessischen Staatsarchivs vom 1. August 2001. Somit hat sich die Jahreszahl 1254, die Pfarrer Ruetz ermittelt hatte und Basis der 700-Jahr Feier von 1954 war, als falsch erwiesen. Ein entscheidenderes Datum für die Entwicklung Merzhausens ist jedoch 1367, da zu diesem Zeitpunkt die Herren von Kuppel die Dörfer Merzhausen, Heckershausen und Niederfischbach von dem Ziegenhainer Grafen kauften. Durch diesen Kauf wurde der Merzhäuser Adlige, der in der Wasserburg wohnte und den Adelshof als Lehen besaß, Grund- und Gerichtsherr dieser drei Dörfer, sodass deren Bewohner nun Untertanen des Adligen und nicht mehr des Grafen von Ziegenhain waren.
Da die drei Dörfer nun im Besitz des Merzhäuser Adligen waren, setzte nach und nach eine Konzentration der Wohnplätze auf das Dorf Merzhausen ein. Um etwa 1580 existiert Heckershausen nicht mehr. In Merzhausen sollen zwei Höfe, nämlich Happels und Hooses Hof ihren Ursprung in Heckershausen haben. Nachdem die Herren von Heckershausen ausgestorben waren, gehörte der dortige Adelshof dem Merzhäuser Adligen als Lehen und wurde 1471 dem neu gebildeten Weiterhausischen Hof in Merzhausen zugeschlagen. Auch 6 – 14 Familien aus Niederfischbach, welches bis 1640 bestanden hat, sind nach Merzhausen gezogen und haben von dort ihre Äcker im Hinterland bearbeitet. Somit waren 1640 drei Dörfer, nämlich Heckershausen, Niederfischbach sowie Merzhausen, zu einem Ort zusammengewachsen.
Zu beachten ist auch, dass unsere Vorfahren bis Anfang des 19. Jahrhunderts, in dem Grundzinsen und Zehnten abgeschafft wurden, kein volles Eigentum an ihren Grundstücken hatten, sondern lediglich ein erhebliches Nutzungsrecht. Dafür mussten sie ihren Grundherren die erwähnten Grundzinsen errichten und den Zehnten abliefern sowie Hand- und Spanndienste leisten.
(weiterhausischer Hof, neben der Kirche)
Hinsichtlich der Merzhäuser Adelsfamilien folgten die Rückershausen 1419 auf die Kuppel, welche ausgestorben waren. 1471 traten die Rückershausen 1/3 ihres Besitzes an die Weitershausen ab, die daraufhin auf dem Burggelände ein zweites Schloss und neben der Kirche den bereits erwähnten „Weiterhausischen Hof“ bauten. Die aus dieser Teilung hervorgegangenen Höfe haben Merzhausen über Jahrhunderte geprägt. Auf dem größeren Stammhof, der die halben Fahrgüter (Keller, Happel, Pfalzgraf, Korell, Hooses) behielt, wechselten mehrmals die Besitzer, so kamen 1575 die Schetzel und 1676 die Hattenbach. Nach deren Aussterben fiel der Besitz an den Landgrafen zurück, wurde Domäne und später Forsthof. Auf der nördlichen Hälfte der Domäne ist 1874 die alte Schule gebaut worden.
(alte Schule, erbaut 1874-1876)
1872 löste sich die Domäne auf, da der Fiskus das Ackerland der Domäne gegen den Gemeindewald tauschte, und aus dem ehemaligen Gutsgebäude, welches man 1735 neu errichtet hatte, wurde das Dienstgebäude der Försterei im Besitz des preußischen Staates. Dieses Haus, letztes Überbleibsel der ehemaligen Domäne, wurde 1964 abgebrochen. Der zweite Hof, dessen Hauptgebäude noch vorhanden sind, blieb bis 1840 im Besitz der Weitershausen, anschließend gehörte er dem Kasseler Kaufmann Salomon Sudheim, der Gebäude und Äcker an Merzhäuser Bauern verkaufte. Viele der Merzhäuser Betriebe wurden durch den Erwerb der Agrarflächen dieser beiden Höfe nachhaltig in ihrer Existenzgrundlage gestärkt.
(Skizze der Wasserburg, 1588 angefertigt von Jost Moors)
Wie bereits erwähnt, existierte in Merzhausen von ca. 1250 – 1750 eine Wasserburg, deren Besitzer der jeweilige Merzhäuser Adlige war. Die gesamte Anlage war ungefähr 75 x 55 m mit einem Gebäudekomplex von rund 30 x 25 m, dem zuletzt ein Garten von 18 x 22 m angegliedert war. Dieser Kern war von einem Graben mit Damm umgeben, welche zusammen 10 x 15 m breit waren. Da die Rückershausen 1471 ein Drittel ihres Besitzes an die Weitershausen abtraten, gehörte den Weitershausen nun auch 1/3 des Burggeländes, auf dem sie ein eigenes Burggebäude errichteten. Der größere und vielleicht auch ältere Teil der Burg und dessen Gelände fiel 1707 wieder an den Landgrafen zurück, der keine Verwendung für das baufällige Gebäude hatte und es abbrechen ließ. Mittlerweile war auch das Interesse der Weitershausen an einem Neubau ihres Burgteiles, der ebenfalls in schlechtem Zustand war, erloschen, weil der Weitershausen inzwischen Oberamtmann des Bischofs von Mainz war und mit seiner Familie nach Fritzlar zog. So wurde in der Folgezeit auch dieses Burgsegment abgebrochen und das gesamte Burggelände wurde zu dem großen Garten, dessen Besitz mit dem Weiterhausischen Gutshof um 1880 zu Kellers überging und später von Familie Mai übernommen und bebaut wurde. (Weitere Informationen zur Wasserburg siehe Menüpunkt „Erlebbare Geschichte/Wasserburg von Merzhausen“).
Ein weiteres wichtiges Datum für Merzhausen ist das Jahr 1870, in dem die Verkopplung, welche weitreichende Veränderungen brachte, eingeleitet wurde. So wurde im Verlauf der nächsten zehn Jahre, wie bereits erwähnt, der Gemeindewald gegen Ackerland getauscht sowie ein neues Feldwegenetz geschaffen, dass es ermöglichte, die alte Dreifelderwirtschaft endgültig aufzugeben. Bleibt zu sagen, dass seit dem Mittelalter viele Einwohner nicht von ihrem eigenen Grund und Boden lebten, sondern sich mühsam als Knechte, Tagelöhner, Leineweber, Handwerker oder Butterleute ernährten. Außerhalb der Landwirtschaft gab es praktisch keine Arbeitsplätze, weil jede Industrie fehlte, sodass vor allem jungen Mädchen nur der Dienst bei den Landwirten blieb oder man wanderte aus, was einige Bewohner auch taten. Allgemein kann man sagen, dass mit der Verkopplung, welche 1880 abgeschlossen wurde, die alte Siedlungsgeschichte endet.
Zur Dorfgeschichte zählt auch die Entwicklung der jüdischen Gemeinde Merzhausen, der auch die Juden aus Willingshausen und Schrecksbach zugeordnet waren. Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts lag der jüdische Bevölkerungsanteil teilweise bei 10%. Als Einrichtungen bestanden eine Synagoge, eine jüdische Schule, ein rituelles Bad (Mikwe) und ein Friedhof. Während die Synagoge 1951 abgerissen wurde und die Mikwe etwa 1931 aus dem Dorfbild verschwand, sind das Gebäude der jüdischen Schule und der Friedhof noch vorhanden. Als Straßenname präsent ist auch noch die Judengasse, die vor allem von Juden bewohnt war. 1933, im Jahr der Machtergreifung Hitlers, lebten noch 7 jüdische Familien in Merzhausen und fünf in Willingshausen, von denen viele schon vor den Novemberpogromen 1938 auswanderten. Zuletzt waren allen Juden aus Merzhausen verschwunden. Diejenigen, die es nicht geschafft hatten, rechtzeitig auszuwandern, wurden deportiert, ihre Häuser verkauft und die Synagoge geschlossen. (Weitere Informationen siehe Menüpunkt „Erlebbare Geschichte/Geschichte der jüdischen Gemeinde“).
(Skizze der Synagoge)
Neben dem Abbruch des Forsthauses (ehemals Gutsgebäude der Domäne) wurde die Dorfansicht im 20. Jahrhundert durch einen weiteren Gebäudeabriss wesentlich verändert. Abgerissen wurde die Mühle Itzenhäuser, die als Dorfmühle zusammen mit dem Mühlgraben, welcher verrohrt und zugeschüttet wurde, ein prägendes Merkmal von Merzhausen war. (Weitere Informationen siehe Menüpunkt „Erlebbare Geschichte/Merzhäuser Mühlen“).
Durch die hessische Gebietsform, die von 1972 bis 1977 stattfand, wurde Merzhausen vom 31.12.1971 – 31.12.1973 Ortsteil von Antrefftal und ist ab 1.01.1974 Ortsteil der Gemeinde Willingshausen.